Im schweizer Kanton Zürich können zukünftig auch Personen Schulleiter werden, die zuvor kein Lehrer gewesen sind. Bei diesem Thema gehen die Wogen sofort und unmittelbar hoch. Der örtliche Lehrerverband hat erwartungskonform protestiert. Erstaunlicherweise äußerte sich der Schulleiterverband im NZZ-Artikel positiver, wenngleich undifferenziert.
Mal schauen…
Was spräche dagegen?
– Ein Schulleiter, der nicht als Lehrer ausgebildet ist oder gearbeitet hat, hat es sicher etwas schwieriger, sich in die besondere Arbeitsweise und das Tätigkeitsfeld einzudenken. Wenn ich Lehrer dazu privat befrage, dann wird die Besonderheit des pädagogischen Arbeitsfelds betont. Das sei eben anders. („Schule ist keine Sockenfabrik.“ vpod-zh) D.h. Schule beansprucht für sich, eine andere Führung und Leitung zu benötigen als Unternehmen außerhalb von Schule. Nur wer unterrichtet hat, versteht, worum es hier geht und wie besonders Unterricht und Schule ist.
– Es gibt in fast allen Fällen eine kleine bis mittlere Unterrichtsverpflichtung für Schulleiter. Die Unterrichtsverpflichtung ist natürlich kein Beitrag, um die Versorgung an der Schule aufrechtzuerhalten. Sondern vielmehr soll sichergestellt sein, dass der Schulleiter fachlich, didaktisch und generell „am Ball bleibt“ und weiß, worüber er spricht. Dies wäre mit unerfahrenen Schulleitern nicht aufrecht zu erhalten. Übrigens ist das Feld der unerfahrenen Lehrer ja auf gleiche Weise vermint.
– Ein Schulleiter muss seine Kolleginnen und Kollegen fachlich unterstützen können und auch bewerten, sogar über Laufbahnen und Karrieren entscheiden. Die Basis für Beurteilungen und Gespräche wird zumindestens am Anfang dünn, wenn der Schulleiter nie unterrichtet hat.
Was spräche dafür?
– Zunehmend weniger Lehrer wollen Schulleiter werden. (Zeitschrift „Beruf:Schulleitung“ Juni 2008, PDF) In den ministeriellen Ausschreibungen sieht man immer mehr Zweit- und Drittausschreibungen, weil nicht genügend Bewerber vorhanden sind. Ist Schulleitung mit den heutigen Anforderungen nicht mehr attraktiv für Lehrer?
– Leiten kann man lernen. (nebenbei: eine Haltung, die für die Schulleitung notwendig ist, nicht so unmittelbar) Branchenfremde Leitungen gibt es außerhalb von Schule überall: der Fußballtrainer, der kein guter Fußballer war, der Leiter eines Industriebetriebs, der selbst nicht „geschraubt“ hat,… -Ach, dieser Vergleich ist schwierig, Denn eine Schule, eine Klasse ist kein Fußballteam, ist keine Produktion. Dennoch: es gibt überfachliche Kompetenzen, die einen Leiter ganz gleich an welchem Ort zu einer guten Führungskraft machen.
– Das Rollenbild von und die Erwartungen an Schulleitung haben sich in den letzten Jahren so sehr gewandelt, dass immer mehr von „Management“ die Rede ist. Aus zahlreichen Ecken wird seit vielen Jahren von der Übertragung von Management-Modellen in den Bereich Schule und Schulqualität gesprochen. (exemplarisch z.B. Buhren oder Dubs, die auf Malik und das St.Galler Managementmodell rekurrieren). Große Schulen werden geleitet, geführt „in Anlehnung“ an große Unternehmen. Wenn 100 Lehrkräfte und über 1000 Schüler im schulischen Betrieb organisiert, versorgt werden, dann muss die Schulleitung, die aus mehrern Personen besteht, den Finanzen, der Organisationsstruktur, dem Personal einen Rahmen, einen Halt und eine Ausrichtung geben. Ist das nicht (vorsichtig formuliert) „in der Nähe“ von Management? Die Schulmanagement-Studiengänge wachsen vielleicht nicht zu Unrecht.
– Interessant in dem ganz oben genannten Presseartikel war die nicht näher ausgeführte Zustimmung des Schulleiterverbands. Auf deren Internetseite ist eine kleine Meldung zu finden, die „flankierende Maßnahmen“ fordert: eine Schulleitungs-Ausbildung, die „das Schwergewicht auf pädagogisches Wissen und schulrelevante Fragen“ legt. Da die Schulbehörde dort die Schulleiter bestimmt, sehe man keine Gefahren.
Ein Fazit?
Ein entschiedenes sowohl/als auch…
Je größer die Schule, desto eher kann ich mir einen „artfremden“ Schulleiter vorstellen. Aufgrund der steigenden Fülle an Aufgaben, entfernt er sich offensichtlich vom Unterricht. Auch Leitung einer Schule kann man lernen.
An der kleinen Grundschule, in der gefühlt fast alle alles machen, wird das hingegen nicht umzusetzen sein. Hier wird der Schulleiter weiterhin etwas mehr unterrichten und nicht nur dadurch mehr Kollege sein.
Ja, auf die Größe könnte es ankommen. Eine konkrete Zahl mag ich dennoch nicht nennen.
Ja, ich sehe eine weitere „Managerisierung“ der Schulleitung auf uns zu kommen.
Ein anderes Wort für diesen Prozess wäre „Professionalisierung“.
3 Gedanken zu „Muss ein Schulleiter Lehrer (gewesen) sein?“
Hallo Timo!
Ich habe in meiner pädagogischen Sondereinrichtung, „Knast“, viele Erfahrungen mit „Schulleitern“, bei uns waren und sind das Schulabteilungsleiter, machen müssen, die keine Lehrer waren. Im Regelfall waren es Juristen, im Einzelfall schon mal ein Psychologe. Wenn es gut lief, durften wir Lehrer agieren, wie wir das für richtig hielten. Der Normalfall geht anders. Ständige Diskussionen und (unwürdige) Rechtfertigungen waren an der Tagesordnung. Ich bin der festen Überzeugung, nur ein Lehrer kann beurteilen, was Lehrerarbeit ist.
Danke für Deinen Bericht, lieber Knastlehrer.
Ich frag mich dann, ob es „am Menschen“ lag oder daran, dass er kein Lehrer gewesen ist. Was macht unseren Beruf so besonders, dass man ihn gemacht haben muss, um mitreden zu können?
wir wäre eine kurzes Praktikum für solche Quereinsteiger? anders: wie lange müsste man L gewesen sein, um mitreden zu können?
Ich habe 10 Jahre als Schulleiter gearbeitet und berate seit 4 Jahren Schulen ‚in schwieriger Lage‘. Das Schulmanagement-Studium habe ich in Kaiserslautern absolviert.
Inzwischen bin ich (wieder) der Überzeugung, dass eine SchulleiterIn (eine gute) LehrerIn gewesen sein muss. Die größte ‚Baustelle‘ in allen Schulen ist die Haltung zum Lernen. Das ist mehr als Unterricht aber in hohem Maße auch dieser. Eine Führungsperson, die sich nicht ausgiebig damit (dem Lernen auch dem ‚Lernen der Organisation‘) auseinandergesetzt hat, wird zwar eine Schule managen können aber nicht führen (wohin denn?).