Wieder mal fehlt ein Lehrer. Für einen Tag. – One-Day-Illness (ODI). Ärgerlich? Komisch? Bevor wir zu schnell urteilen und bevor wir gucken, was man dagegen tun kann, schauen wir hier erst einmal auf mögliche Gründe, warum Lehrer einen Tag krank sein könnten. Auch wenn es unangenehm werden könnte, möchte ich das Thema verstehen, um als Schulleiter besser handeln und unterstützen zu können.
Es ist nahezu unmöglich, etwas über die relative Häufigkeit der Kategorien zu sagen. Ich versuche also, die Kategorien voneinander zu trennen und dann auf mögliche Lösungsansätze zu schauen.
5 Gründe, einen Tag krank zu sein
Kategorie 1: Mangelnde Motivation Klingt nach dem Klischee schlechthin, oder? Als verbeamtete Lehrkraft mal einen Tag frei machen? Die sonnige Terrasse ruft… Ist das wirklich so einfach? Kurze Mail oder kurzer Anruf im Sekretariat – zack, einen Tag frei. Who cares?
Kategorie 2: Persönliche Gründe Der Waschmaschinen-Kundendienst kann nur am Dienstag um 9Uhr, also eben krank melden? Die Tochter kommt aus dem Urlaub wieder und muss vom Flughafen abgeholt werden. Melde ich mich eben krank. Geht ja nicht anders! Oder?
Kategorie 3: Persönliche Überforderung durch schlechte Organisation Es ist denkbar, dass eine Lehrkraft schlecht organisiert ist. Zum Beispiel das Schuljahr nicht plant und von Tag zu Tag von der Hand in den Mund lebt. Dauerhafte „Türschwellen-Didaktik„-Deluxe! Und dann kommt auf einmal die Vorbereitung auf die mündlichen Prüfungen, zwei Klassenarbeitssätze gleichzeitig oder das Einreichen des dezentralen Abiturs. Für einzwei Tage nur am Schreibtisch muss es kurzerhand die Krankmeldung sein. Wie soll man das sonst schaffen?
Kategorie 4: Überlastung durch den Lehrerberuf allgemein Zu viel Arbeit, zu wenig Zeit. Eine Geschichte, scheinbar so alt wie das Schulsystem selbst. Lehrkräfte, die sich durch 27 Unterrichtsstunden pro Woche plus Unterrichtsvorbereitung, plus Elterngespräche am Abend, plus Verwaltungskram, plus Korrekturen, plus heterogenste Lerngruppen, plus herausforderndes Verhalten, plus zig Konferenzen, plus … überfordert fühlen, können sich nicht durch Zauber verdoppeln. Der Körper droht zu rebellieren und um nicht in tiefere Erkrankungen zu rutschen, muss jetzt ein Tag Durchatmen her.
Kategorie 5: Kurzfristige Krankheiten Kein Mensch ist unverwundbar. Lehrkräfte sind auch nur Menschen und halt auchmal krank! Und trotz kurzer Dienstunfähigkeit kann man nach einem Tag bereits wieder fit genug sein, um in die Schule zu gehen. Eine eintägige Pause kann dazu beitragen, eine schnellere Genesung zu ermöglichen.
Zwischenfazit
Statt uns darüber zu ärgern, dass Lehrkräfte fehlen, sollten wir uns mit den strukturellen Ursachen auseinandersetzen. Es geht darum, als Schulgemeinschaft zusammenzuarbeiten, um Lösungen zu finden, die nicht nur kurzfristig angelegt sind. Aus meiner Sicht geht es darum, ein Umfeld zu schaffen, das Lehrkräfte unterstützt und stärkt, anstatt sie an den Rand des Burnouts zu treiben.
Fünf Ansätze, um mit ODI in der Schule umzugehen
Wie kommen wir da jetzt raus bzw. weiter?
Kategorie 1: Mangelnde Motivation Ehrlich bleiben: Wer braucht nicht mal einen Motivationsschub? Wie wäre es, wenn wir Lehrerzimmer und Schule schrittweise in einen schönen und sinnvollen Lern-Ort umwandeln? Wenn wir den Arbeitsort und unser Zusammenarbeiten Stück für Stück verbessern? D.h. Schule stellt sich so auf und richtet sich so aus, dass wir unser gemeinsames Tun immer öfter sinnvoll finden können. Schrittweise immer weiter – und immer weniger ‚Business as usual‘. Das ist je nach Schule ein kurzer oder ein langer Weg. Aber er ist möglich.
Kategorie 2: Persönliche Gründe Das Leben hat keinen Stundenplan. Dass ein Techniker nur zu diesem Vormittagstermin kommen kann, ist ärgerlich. Aber der Lehrer braucht auch saubere Wäsche. – Doch für solche Anfragen brauchen wir gegenseitige Ehrlichkeit. Wer offen und ehrlich anfragt, kann auch eine ehrliche Antwort bekommen. Gemeinsam zu überlegen, ob es eine flexible Lösung geben kann. Es sollte oft gelingen, aber vielleicht nicht immer. Und im Austausch dafür gibt es dann Unterstützung (und ’ne Überstunde), wenn andere Kolleg/innen in der Klemme stecken. Wenn sich ein Kollegium als Gemeinschaft versteht, kann man transparent zusammen persönliche Engpässe überstehen.
Kategorie 3: Persönliche Überforderung durch schlechte Organisation Manche Lehrkräfte sind qua Geburt organisatorische Naturtalente, andere eher… kreativ chaotisch. ich glaube, die ersten drei bis fünf Berufsjahre sind wesentlich für unsere Verständnis, wie wir den Alltag bewältigen: Wie organisiere ich mich mit deutlich mehr Stunden als im Referendariat?
Schule kann hier z.B. für junge Lehrkräfte (und ältere, die es wünschen oder brauchen) Workshops anbieten, wie Excel geht, wie man Zeitmanagement, den E-Mail-Posteingang oder To-Do-Listen nutzt. Oder auch Austauschformate zur eigenen Rolle als Lehrkraft.
Zudem kann Schulalltag manchmal einem organisatorischen Labyrinth gleichen. Nicht nur für Neulinge. Schulleitung muss im Alltag immer wieder versuchen, den Orgaaufwand im System klein zu halten, d.h. vorzuentlasten, wo immer es nur geht.
Kategorie 4: Überlastung durch den Lehrerberuf allgemein Lehrer/in zu sein ist herausfordernd und zuweilen überwältigend, das wissen wir alle. Aber diese Bewertung sollte nicht die Norm sein. Sorgen wir für echte Pausen und arbeiten wir daran, das Arbeitspensum auszubalancieren. Wie wäre es mit einem gemeinsamem ‚Nein‘ zu Schülergesprächen in wenigstens einer Pause? Ein Ruheraum in der Schule ist möglich. Auch andere Schulstrukturen sind denkbar.
Lehrkräfte sind Superhelden – und dürfen sich zugleich auch vom Beruf abgrenzen und auf sich selbst achten.
Kategorie 5: Kurzfristige Krankheiten Erkältet? Starke Kopfschmerzen? Rückenschmerzen? Manchmal braucht der Körper eine Pause und sagt uns das deutlich. Wir sollten uns nicht für Krankheiten schämen müssen. Oder sie mit „ein paar Ibus“ wegdrücken. Eine kurze schnelle Erholung ist besser als ein langer Leidensweg. Gesundheit geht vor. Und wenn jemand nach einem Tag wiederkommt, weil es wieder geht, dann freuen wir uns.
Der wesentliche erste Schritt ist die Öffnung. Die Verletzlichkeit, die stark macht. (ja, lest mehr Brenée Brown!) Können wir Schulkultur so entwickeln, dass ich mit meinem Sitznachbarn im Lehrerzimmer über dieses Thema sprechen mag?
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