Woran erkennt man als Lehrer, dass man gut arbeitet?
…
Ganz einfach: man bekommt noch mehr Arbeit vom Schulleiter.
Diese perfide Logik zu durchbrechen bzw. zu durchschauen und dann zu durchbrechen, ist gar nicht so einfach.
Warum ist das so?
Alltag
Im Alltag gibt es für einen Lehrer reichlich zu tun. Klar! Die Zeiten, in denen Lehrer ohne Schamesröte als „faule Säcke“ bezeichnet wurden, ist lange vorbei. Mittlerweile steigt allerorten die Hochachtung vor dem sehr schönen, herausfordernden und zuweilen anstrengenden Alltag des Lehrers.
Doch vielen Lehrkräften ist das nicht genug. Sie engagieren sich für ihre Schülerinnen und Schüler über den Unterricht hinaus. Sie nehmen an Wettbewerben teil, ermöglichen ein außerschulisches Projekt, sie arbeiten in Arbeitsgruppen, an Konzeptpapieren oder fummeln an der organisieren Technik. Warum? Um die eigene Schule, d.h. den eigenen Arbeitsplatz schöner, sinnvoller, besser zu machen. Weil beruflicher Erfolg Freude macht. Weil es die Schüler bereichert.
Ein Projekt fertig. Und jetzt?
Nach dem Projekt ist vor dem Projekt: der Schulleiter hat mal wieder eine neue Idee. Er sucht Mitstreiter, Mitgestalter oder schlicht irgendjemanden für eine „tolle Sache für unsere Schule!“, wie er glaubt. Mit der ausgedruckten E-Mail steht er in der Tür des Lehrerzimmers. Sein Blick schweift und schwer wiegt das Papier in seiner Hand. Wem soll er diese so wichtige Idee geben? Da sieht er vier Personen im Lehrerzimmer sitzen, die fachlich-inhaltlich zum Projekt passen würden:
Die Auswahl: A, B, C oder D?
(Ähnlichkeit mit Ihnen bekannten Lehrkräften rein zufällig!)
Lehrer A: Anfang, Mitte 60, Altersteilzeit, ein äußerst gründlich arbeitender Lehrer, sehr beliebt unter Kollegen, Schülern, Eltern. Seit über 30 Jahren an dieser Schule. Leiter einer sehr kleinen Hebräisch-AG.
Lehrerin B: maximal engagiert. Befristet angestellt bis zum nächsten Jahr. (Schwangerschaftsvertretung)
Lehrer C: 60%-Teilzeit, findet seinen Beruf irgendwie gut und das Wochenende und die Ferien auch. Hat ja schon ein Amt neben dem Unterricht: Ist bereits Fußwegbeauftragter.
Lehrerin D: Ende 30, Vollzeit, beliebt, arbeitet leidenschaftlich gern. Leitet die AG „das innovative Konzept“, hat bereits die dreisprachige Wanderfahrt nach Kanada etabliert, für eine Vortragsreihe Kontakte zu überregionalen Firmen geknüpft und nebenbei das WLAN installiert, was seitdem wartungsfrei läuft.
Ja, das sind Klischees.
Natürlich. Solche Lehrer gibt es nicht und ich kenne niemanden, der so ist.
Dennoch: Die Arbeit lässt sich nicht gleichmäßig verteilen. Denn selbstverständlich gibt es berufliche und private Lebensphasen, in denen Schultern breiter oder schmaler sind. Zudem gibt es gesetzliche Vorgaben und auch eine „Fürsorgepflicht“ des Schulleiters.
Also: Lehrer A noch eine Aufgabe kurz vor der Pension geben? Lehrerin B das Projekt geben und dann wird vielleicht ihr Vertrag nicht verlängert? Lehrer C drängen motivieren, eine neue Aufgabe zu übernehmen? Oder Lehrerin D die Mail geben, weil sie es vielleicht auch noch schaffen würde? Der Schulleiter ahnt an dieser Stelle: sie hat die letzten Projekte sehr erfolgreich durchgeführt – also würde sie auch das hier gut machen!
Woher weiß ich denn, dass ich als Lehrer, Lehrerin gute Arbeit mache?
- wenn meine Schüler zufrieden, glücklich sind? (geht es um Glück?)
- wenn meine Schüler gute Abschlüsse machen? (erst dann?)
- wenn mich jemand (Eltern, Lehrer, Schüler, Schulleiter?) lobt? (geht es um Anerkennung?)
- wenn ich ab und zu Sternstunden erlebe? (reichen mir Einzelstunden, Momente?)
- wenn ich selbst zufrieden bin? (ist das nicht zu stark von meiner Biografie abhängig?)
- wenn ich mich an Hattie/Baumert und anderer Forschung orientiere? (kann ich das selbst beurteilen?)
- wenn ich mir diese Frage überhaupt stelle und die offene Antwort aushalte? (Reflexionsvermögen ist sicher wichtig – aber auch ohne daraus folgende Handlung?)
- …
Der Schulleiter blickt auf die ausgedruckte Mail, schaut wohlwollend auf seine vier Lehrer und zerknüllt das Papier.
Es gibt schon genug zu tun.
In Teil 2 geht es dann um den Blick auf den Schulleiter.
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