wollen-müssen-können

Mit dieser sperrigen Überschrift schaue ich auf einen 10 Jahre alten Artikel, den ich vor ein paar Wochen wieder las und dessen Grundgedanken mir seitdem im Kopf herumschwirren:
„Bedingungen für die nachhaltige Aufnahme von Neuerungen an Schulen“1von Anton Strittmatter.
Ehe Strittmatter auf die Trias müssen-wollen-können eingeht, stellt er 5 Thesen vor, die erklären, warum kaum breitflächige, systematische und nachhaltige Innovationen zu finden sind. Diese sind:

1. Es gibt keine pädagogisch relevanten Innovationen, auf welche die Schulen bzw. die Lehrerschaft gewartet haben (…)
2. Innovationen passieren trotzdem sehr häufig, allerdings eher als zufällig erscheinendes kurzes Aufblinken irgendwo auf der Schullandkarte. (…)
3. Breitflächig und nachhaltig Innovationen zu inszenieren bleibt ein unerfüllter Wunschtraum elitärer Pädagogen oder Bildungspolitiker. (…)
4. Es ist unmöglich, von der Lehrerschaft nicht gewollte Innovationen erfolgreich zu „managen“. (…)
5. Die Gründe für die verbreitete Innovationsresistenz sind vielfältig.

(Das klingt jetzt wesentlich pessimistischer als der Artikel angelegt ist und) um diese vielfältigen Gründe der fünften These aufzuklären und um Frustrationen zu reduzieren, stellt Strittmatter ein „Netzwerk von Gelingenskonstellationen für schulische Innovation“ vor.

Das Zusammenspiel von Müssen, Wollen und Können.
Neuerungen muss man können und wollen. Das „müssen“ sollte jedoch auch hinzukommen. Alle drei Faktoren, so Strittmatter, müssen im Zusammenspiel gegeben sein. Ja, sie stehen sogar in einem faktoriellen Verhältnis zueinander.

Ist ein Faktor Null, dann wird das Ganze Null.

Um günstige Bedingungen für die Aufnahme von schulischen Innovationen zu schaffen, gilt es an allen drei Faktoren aktiv zu werden.

Sodann unternimmt Strittmatter eine Kraftfeld-Analyseund stellt die einzelnen Gelingensbedingungen vor.

Zwei Aspekte möchte ich betonen, die mir bemerkenswert erschienen:

Die Rolle des Müssens
„Innovationen“, die rein aus einem Müssen bestehen, die nie von einer breiten Lehrerschaft gewollt sind, werden vom Autor gar nicht erst betrachtet. (Der Umstand ist offensichtlich und für die Beteiligten gefühlte Zeitverschwendung.)
Wenn schulische Neuerungen nach freiwilligen Anstrengungen nicht in einen „selbstverständlichen Rechtstatus“ (Strittmatter) überführt werden, also eine Portion Müssen erhielten, dann gingen ihnen die nachhaltige Wirkung aus, da schulische Systeme zur Regression tendierten. Die Unterstützung der gerade erreichten „kritischen Masse“ der Unterstützer/Teilnehmer durch eine (ggf. gesetzliche) Verpflichtung oder eine Anordnung entlaste die Zustimmenden. Kurz: man muss sich dann nicht mehr immer wieder vor den Ablehnenden rechtfertigen. Dies spart natürlich Kräfte.

Die Rolle der Botschafter
Nach den (allesamt bedenkenswerten) Bedingungen stellt der Autor die Bedeutung der „Botschafter“ heraus.
Denn es braucht mehr als „nur“ einen guten Schulleiter. Strittmatter nennt es ein „klug orchestriertes Zusammenspiel verschiedener Botschafter“:
– die aktiv führende, moderierende Schulleitung
– eine tragende Kerngruppe im Kollegium
– die Zuversicht und Sinn gebenden externen „Autoritäten“
– und schließlich eine Rahmen und Wertschätzung gebende Schulaufsicht.

Ein letzter Gedanke aus dem Text: spezifisches Wissen/Können sei der Faktor, der am wenigsten Probleme macht. Denn wer gute Gründe, wer Zuversicht, Zeit und ein wenig Müssenauf seiner Seite hat, der wird immer Wege zum Know-How finden!

Viele zentral gesteuerte Innovationsprojekte haben in den letzten Jahren aber gerade in diesen Punkt investiert, indem flächendeckend Herrscharen von Lehrer/innen durch „Einführungskurse“ in irgendetwas geschleust wurden in der Meinung, dass dass spezifische Know-How dann auch Bereitschaft zur Umsetzung der Innovation hervorrufe.

Es stimmt – die anderen Bedingungen kommen zuerst.

1Strittmatter, Anton: Bedingungen für die nachhaltige Aufnahme von Neuerungen an Schulen“. erschienen in: Altrichter (Hrsg): journal für schulentwicklung 5(2001)4, S. 58-66


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