Salutogenese in der Schule

Das Konzept der Salutogenese ist im Kern schnell erklärt: Während für gewöhnlich untersucht wird, wie Menschen krank werden, was Risikofaktoren sind, unter denen Menschen krank werden und wie man Kranke wieder gesund macht, fragt Salutogenese danach, was Menschen gesund erhält und unter welchen Bedingungen Gesundheit entsteht.
Der israelisch-amerikanische Medizinsoziologe Aaron Antonovsky prägte diese Begriff in den 1970ern als Gegenentwurf zur Pathogenese.
Der salutogenetische Ansatz ist heute grundlegend für Maßnahmen und Konzepte der Gesundheitsförderung. Bevor ich auf den Schulbereich schaue, ein kurzer Blick auf das Modell der Salutogenese.

Wie werden wir gesund? Wie erhalten wir Gesundheit?
Zuerst: kein Mensch ist vollständig gesund oder vollständig krank. Nach Antonovsky ist der jeweilige Zustand eines Menschen auf einem Kontinuum zwischen diesen beiden Extremen. Unser jeweiliger Zustand liegt (vorstellbar wie auf einer Strecke zwischen zwei Punkten) stets irgendwo dazwischen. Da jeder Mensch ständig in irgendeiner Form Stressoren ausgesetzt ist, wandert unser Zustand mal in Richtung krank, mal in Richtung gesund.
Die spannende Frage: welche Bedingungen helfen, um sich in Richtung „gesund“ zu bewegen?

Kohärenzgefühl!
Ins Zentrum seiner Antwort auf die oben stehende Frage stellt Antonovsky einen sense of coherence, ein „Kohärenzgefühl“.

Das Kohärenzgefühl ist eine globale Orientierung, die ausdrückt, in welchem Ausmaß eine Person ein durchdringendes, dynamisches Gefühl des Vertrauens darauf hat, dass

* die Stimuli, die sich im Verlauf des Lebens aus der inneren und äußeren Umgebung ergeben, strukturiert, vorhersehbar und erklärbar sind;
* die Ressourcen zur Verfügung stehen, um den Anforderungen zu begegnen, die diese Stimuli stellen;
* diese Anforderungen Herausforderungen sind, die Anstrengung und Engagement lohnen.

Aaron Antonovsky: Salutogenese. Zur Entmystifizierung der Gesundheit. 1997, S. 36 (zitiert nach Wikipedia)

Kurz also: ein tief empfundenes Gefühl des Vertrauens auf

  • Verstehbarkeit (das Gefühl, dass Dinge erklärbar und vorhersehbar sind)
  • Handhabbarkeit (das Vertrauen in die eigenen Ressourcen)
  • Sinnhaftigkeit (die Überzeugung, dass das was man tut oder tun muss, die Anstrengung wert ist)

So! Und jetzt gehen wir mit diesen Begriffen in den schulischen Kontext.

Schülerinnen und Schüler mit einem starken Kohärenzgefühl können mit Stressoren (z.B. mit Misserfolgen beim Lernen) besser umgehen. Konkreter heißt das im Bereich…
Verstehbarkeit: Sie erleben die schulischen Anforderungen im Lernprozess als vorhersagbar und kontrollierbar. Fragen wir uns als Lehrende also: Was können wir tun, wie können wir das Lernen strukturieren, um dieses Erleben im Großen und im Kleinen zu verstärken?
Handhabbarkeit: Schülerinnen und Schüler lernen, darauf zu vertrauen, dass sie über die entsprechenden Ressourcen verfügen oder dass sie mit der Unterstützung von Lehrern, Mitschülern oder der Familie rechnen können und die an sie gestellten Anforderungen bewältigen – selbst dann, wenn es zu Beginn oder mittendrin als unglaublich schwer empfunden wird. Als Frage: Welche Ressourcen können wir betonen, anbieten oder verstärken, so dass Schüler/innen schulische Fragestellungen als handhabbar erleben?
Sinnhaftigkeit: Schülerinnen und Schüler erfahren, dass die Anstrengungen insgesamt bedeutsam, sinnvoll sind. Daher sind sie auch bereit, die kommenden Schritte anzugehen. Wie ließe sich Sinn, vielleicht durch einen inhaltlichen roten Faden und Bezug zur „Welt da draußen“ vermitteln, so dass sie das eigene Lernen als bedeutsam erleben?

Aber auch die Lehrer!
Auch im Kollegium kann das salutogenetische Modell einen kräftigen Impuls liefern, wenn ich das gemeinsame (!) Handeln daraufhin abklopfe, wie zusammen Strukturen geschaffen werden können, so dass die gestellten Anforderungen und beruflichen Fragestellungen besser vorhersagbar, planbar werden (Verstehbarkeit) und wie wir Ressourcen schaffen, bündeln, verstärken, um diese Anforderungen zu bewältigen. (Handhabbarkeit)
Und schließlich zur Sinnhaftigkeit noch ein Zitat, weil es meiner Meinung nach im schulischen Kontext gut passt.

Sinnhaftigkeit beschreibt das

Ausmaß, in dem man das Leben als emotional sinnvoll empfindet: Dass wenigstens einige der vom Leben gestellten Probleme und Anforderungen es wert sind, dass man Energie in sie investiert, dass man sich für sie einsetzt und sich ihnen verpflichtet, dass sie eher eine willkommene Herausforderung sind, als Lasten, die man gerne los wäre.
(Antonovsky. Salutogenese. Zitiert nach BZgA, S.30, LINK)

Ersetze Leben durch Schule

PS: Die BZgA-Broschüre ist übrigens gut, wenn man tiefer ins Thema eintauchen möchte!


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