Metaphern der KI und ihre Bedeutung für Schule

Bilder und Metaphern, mit denen wir über ‚KI‘ sprechen, lenken, worauf wir achten, was wir übersehen und wie wir handeln. Ein hervorragender Essay und eine strukturierte Übersicht („Atlas der KI-Analogien“) zeigen eindrucksvoll, wie stark Metaphern Innovationspfade, öffentliche Debatten und Regulierung prägen. Darüber sollten wir auch im schulischen Kontext sprechen.

Matthijs Maas hat in dem Essay „AI Is Like… a Literature Review of AI Metaphors and Why They Matter for Policy“ über 50 Metaphern und Analogien zusammengestellt, sortiert und die Implikationen hierfür dargestellt. Ein langer und lesenswerter Artikel. Ausgangspunkt für diesen Blog war übrigens Bob Blumes Bild von „KI als Hauselfen“, den er in einigen Podcasts (etwa bei Sascha Lobos „Schmetterlings-Podcast„) verwendet. Das fand ich so charmant, sofort anschlussfähig, ehe sich einige Fragen daraus ergaben.

Warum Metaphern unsere Entscheidungen beeinflussen

Wir Menschen sind erzählende Wesen. Wir leben nicht in einer Welt der Fakten, sondern in einer Welt der Geschichten. Jede Kultur, jede Gesellschaft, jede Institution, jede Schule webt ihr eigenes Netz aus Narrativen, um Sinn zu stiften und Orientierung zu geben. „So waren wir, so sind wir.“ Samira El Ouassil und Friedemann Karig nennen uns in ihrem Buch treffend „Erzählende Affen“: Wir erschaffen unsere Wirklichkeit erst durch Sprache und Erzählung. (Ebenso ist das aktuelle Buch von Henning/Kompa/Nimtz, das ich gerade auf der Buchmesse entdeckt habe, passend zum Thema.)

Die Geschichten bestehen nicht nur aus Handlungen und Figuren. Ihr eigentlicher Zauber liegt in den Bildern, die sie in uns hervorrufen, Metaphern machen Unbekanntes greifbar, Komplexes verständlich und verschieben zugleich unsere Wahrnehmung.

Metaphern verwandeln Politik in ein „Schlachtfeld“, die Wirtschaft in einen „Motor“ oder das Lernen in eine „Reise“. Wer Metaphern reflektiert, versteht die verborgenen Erzählungen, die unser Denken steuern und kann beginnen, neue zu erzählen.

Fünf Weichenstellungen durch Metaphern

Matthijs zeigt in seinem Essay fünf zentrale Wege, auf denen Metaphern technologische Entwicklung und Politik beeinflussen. Übertragen wir diese Struktur einmal auf den Schulbereich. Denn auch dort steuern unsere Sprachbilder, wie wir über Schule, Lernen und Veränderung denken, sprechen, handeln.

  1. Metaphern prägen Innovationen
    Sie bestimmen, welche Ideen überhaupt entstehen dürfen.
    Wer Lernen als „Leistungsmaschine“ versteht, denkt in Tests, Output und Effizienz. Wer Schule hingegen als „Garten“ begreift, achtet auf Wachstum, Pflege und Vielfalt.
  2. Metaphern strukturieren Forschung und Analyse
    Wenn Unterricht als „Interaktion“ beschrieben wird, rücken Beziehung und Kommunikation in den Mittelpunkt. Wenn hingegen die „(Unterrichts)prozesse gesteuert“ werden, dominieren Planung und Kontrolle.
    So beeinflussen Metaphern, was in Evaluationen/Studien, Lehrplänen oder Fortbildungen als relevant gilt.
  3. Metaphern setzen die Agenda
    Sprachbilder lenken Aufmerksamkeit. Die oft ausgerufene „Bildungskatastrophe“ erzeugt Alarmstimmung und die „Bildungswende“ Hoffnung. Ob wir von „Lehrermangel“ sprechen oder von „Professionalisierungsoffensive“, entscheidet mit darüber, welche welche Themen Dringlichkeit bekommen und welche leise mitlaufen.
  4. Metaphern rahmen Entscheidungsprozesse
    Wie wir Thema benennen, prägt, welche Lösungen wir suchen.
    Wer Schule als „Unternehmen“ versteht, setzt auf Effizienz, Kennzahlen und Outputsteuerung. Wer sie als „Gemeinschaft“ begreift, denkt eher in Beziehungen, Verantwortung und Sinn.
    Auch Begriffe wie „Transformation“ oder „Entwicklung“ erzeugen unterschiedliche Bilder und somit unterschiedliche Handlungslogiken.
  5. Metaphern prägen die Umsetzung und Interpretation von Regeln
    Ob Lehrkräfte als „Wissensvermittler/innen“, „Coaches“ oder „Begleiter/innen“ bezeichnet werden, verändert Erwartungen, Rollenbilder und letztlich auch den Unterricht selbst.

So werden Metaphern zu stillen Lehrplänen. Sie lehren, ohne dass wir es bemerken. Sie bestimmen, wie Schule gestaltet und erlebt wird.

Neun KI-Metaphern und Schule

Matthijs Maas hat in seinem „Atlas der KI-Analogien“ über 50 Bilder gesammelt, mit denen Menschen weltweit versuchen, Künstliche Intelligenz zu begreifen, von der „Black Box“ bis zur „Magie“. Ich habe mir neun herausgegriffen, die mir für den schulischen Alltag besonders relevant erscheinen.

Metapher, KI als..was sie betontwas sie ausblendetund was macht das in der Schule?
stochastischer PapageiSprache ohne Verstehen, Wiederholung von Mustern, mögliche Halluzinationen oder VerzerrungenKreative Nützlichkeit von KI-Systemenschärft das Bewusstsein für Quellenkritik, Verlässlichkeit und Fakten-Checks
WerkzeugkastenErweiterung menschlicher Fähigkeiten, Fokus auf Anwendung, Nützlichkeitethische Fragen, Werte, Abhängigkeitsverhältnisse hinter den Toolsfördert pragmatische Nutzung, braucht aber noch Räume für Reflexion, Urteilsbildung
Black-BoxIntransparenz, Nicht-ErklärbarkeitTransparenz/Prüfbarkeit sind entwickelbar (und gerade bei Anthropic sehr spannend: Youtube-Talk)führt zu stärkerer Vorsicht, mehr Dokumentation und klareren Regeln bei Bewertung und Notenbezug
Antwort-MaschineEffizienz, schneller Zugriff auf Wissen, Sofort-AntwortenTiefe, Prozess- und Verständnisorientierungbirgt die Gefahr, Reflexion und Begründung zu vernachlässigen. Qualität der Antwort wird wichtiger als Geschwindigkeit
PartnerAssistenz, Zusammenarbeit, kooperative ProzesseVerantwortung und EntscheidungsrollenRollen klären: KI kann Hilfskraft sein. Verantwortung bleibt bei Lehrkraft/Schüler:in
Wesen, kurz vor einer eigenen „Lebensform“Dialogische Motivation, PersonalisierungAnthropomorphisierung, falsche Zuschreibungen („er denkt“)gibt es eine Leitlinie in der Schule, dass wir KI nicht in der Erziehung und Bewertung vermenschlichen wollen? Verantwortungsrahmen klar kriegen
Hochrisiko-technologieMissbrauch, Gefahren SchutzbedarfAlltagsnutzen, Chancenstärkt Prävention, Datenschutz, Aufklärung über Deepfakes und verantwortliche Nutzung
GehirnDenkleistung, Mustererkennung, Bezug zur NeurowissenschaftKI denkt nicht, sondern berechnetkann zu falschen Zuschreibungen führen. zugleich bietet sie Anlass, über Bewusstsein, Intuition und Lernen nachzudenken.
Hauself Dobby, MagieNeugier, Faszination, Staunenden menschlichen Ursprung, Verantwortung und technische Grenzensenkt die Einstiegshürde, kann aber zu magischem Denken verleiten. Der „Zauber“ will/muss hinterfragt werden.

Metaphern sind nie neutral

Wenn wir KI in der Schule etwa als „Partner“ oder gar als „Gehirn“ beschreiben, schwingt schnell die Vorstellung mit, sie „verstehe“ oder „denke“ mit. In Wahrheit erzeugt sie ja (auf faszinierende Weise „nur“) statistische Muster. Genau das macht die Debatte um diesen „stochastischen Papagei“ so wichtig. Sie erinnert daran, dass scheinbar kluge Formulierungen noch kein Verständnis ersetzen. In der Schule kann diese Illusion leicht dazu führen, dass wir KI-Systemen Entwürfe oder sogar Bewertungen „zutrauen“, die weiterhin menschliche Prüfung brauchen.

Umgekehrt wecken Bilder wie „Hauself Dobby“ oder „Magie“ Staunen und Neugier, senken so spielerisch Einstiegshürden und verführen zugleich dazu, Verantwortung für Nutzung, Didaktik oder auch Bewertungsregeln abzugeben.

Vielleicht liegt die Kunst also darin, Metaphern bewusst zu wählen – je nach Ziel: Also z.B.
das Werkzeug-Bild für Fortbildungen,
das Risiko-Bild für Datenschutz und Schutzkonzepte,
das Partner-Bild für kollaborative Lernprozesse.

Immer mit der bewussten Frage:

Welche Metapher steuert hier unser Denken und welche Verantwortung folgt daraus?

Metaphern sind machtvoll. Sie sind Filter, Kompass und Katalysator und manchmal auch exzellente Nebelmaschinen. Entscheidend ist nicht, die „beste“ oder „richtige“ Metapher zu küren, sondern bewusst zwischen ihnen zu wechseln, je nachdem, was gerade gebraucht wird: Sicherheit, Innovation oder Orientierung.
Wer Metaphern reflektiert, gestaltet Denken. Und wer Denken gestaltet, prägt Kultur und damit Handeln.

2 Gedanken zu „Metaphern der KI und ihre Bedeutung für Schule

  1. >Wer Lernen als „Leistungsmaschine“ versteht, denkt in Tests, Output und Effizienz.

    Ja! Tut aber niemand. Es ist das Gärtnerlager, das diese Metapher für *andere* verwendet, also nicht in der Lage ist, bei anderen etwas anderes als Tests, Output und Effizienz wahrzunehmen. Diese Art der Wahrnehmung stelle ich mir sehr eingeschränkt vor. Wäre es nicht klüger, sich von dieser Erzählung zu lösen?

    >Wer Schule als „Unternehmen“ versteht, setzt auf Effizienz, Kennzahlen und Outputsteuerung.
    Ja! Tut aber – zumindest auf den unteren Ebenen – niemand. Siehe oben.

    1. Danke für deinen Kommentar. Das stimmt, dass ich das noch deutlicher oder anders darstellen kann, dass Metaphern auch (s. auch das verlinkte Buch „Die dunkle Seite…“ von Henning/…) kämpferisch, abwertend, diskursbestimmend bewusst verwendet werden.

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