Mögen und nicht mögen

Der Artikel „Wieso ich kein Schulleiter werden will“ von Dominik Schönberg hat mich provoziert. Auch Tobias Schreiner fühlte sich durch Dominik herausgefordert und hat geantwortet: „Warum es so schön ist, Schulleiter zu sein.“ Beide Texte und die Diskussion unter dem Tweet sind lesenswert.

Jede/r darf nicht Schulleiter werden wollen. ich glaube jedoch nicht, dass die schlechten Arbeitsbedingungen die zentrale Ursache sind.
An dieser Stelle also mein aktueller Blick auf den Beruf. Weniger systematisch, eher Impressionen. Und die Begeisterung, die am Ende dieser Seite steht, darf nicht darüber hinweg täuschen, dass wir die Arbeitsbedingungen von Schulleitung natürlich grundsätzlich hinterfragen müssen. Möglicherweise ist es das, was den Blick unterscheidet. Selbst mit viel oder wenig Ressourcen, mit guter oder schlechter Ausstattung gibt es Dinge im Schulleiterberuf, die diesen besonders machen, anstrebenswert machen. Naja, und es gibt zugleich auch vieles –

…was ich im Schulleiterberuf nicht mag.

Vandalismus auf Schultoiletten als Arbeitsfeld.

Momente der Hektik. Kurzatmigkeit. Kein Zeit, um für einen Überblick inne halten zu können.

Corona. Freiheiten, in Corona-Zeiten über Quarantäne zu entscheiden. Geplante Corona-Regelungen aus der Presse einschätzen.

Halboffene Anfragen, deren eigentliche Botschaft erst später herauskommen.

Persönliche Verzweiflung, die in gemeinem, die Schulgemeinschaft oder das Schulgebäude schädigendem Handeln mündet.

Zu lange, nicht effiziente Schulleiter-Dienstversammlungen. Vorträge über Unterlagen, die schon vorher gesendet wurden. Diskussionen über Entscheidungen, auf die man gar keinen Einfluss hat.

Tod eines Mitglieds der Schulgemeinschaft. Diese Leere und Stille.

Menschen an Dienstpflichten erinnern. Wiederholte Fristversäumnisse anmahnen.
Feststellen, dass ein Kollege, eine Kollegin, die die Aufsicht vergessen hat und gerade zur Erholung gemütlich einen Kaffee trinkt, und dann hingehen müssen.

Menschen, die Zusammenarbeit in der Schule ablehnen. Systemisch zu wenig Zeit auf Seiten der Lehrkräfte zu entdecken und dem nicht abhelfen zu können.

Salami-Hoffnung.

Ein gutes Gespräch abbrechen müssen, weil ein unwichtigerer Termin anschließt. Mich nicht auf ein Gespräch einlassen können, weil andere Gedanken im Hinterkopf drücken.

Work-private-Balance nicht hinzubekommen. Liebe Menschen vertrösten müssen.

Dazwischen. Unentschieden.

Sehr spontane Personaländerungen. Viel zu arbeiten. Gedanken, dass die To-Do-Liste über 365 Tage nie abgearbeitet ist. Deutlich weniger Unterricht zu geben. Konzepte schreiben. Eingebunden sein in einem großen politischen System. Menschen, die man auf dem Weg zu mehr / anderen Aufgaben im Schulbereich unterstützt hat, ziehen zu lassen. E-Mail-Kommunikation. Gespräche mit dem Schulträger über Ressourcen.

…was ich im Schulleiterberuf mag.

viele Mails.Diese unglaubliche Themenvielfalt allein innerhalb eines Tages!

Man darf einfach so fragen, ob man noch eine Kanne Kaffee und Tee gemacht bekommt. Ein eigenes Büro zu haben.

Das ganze, pralle Leben in der Schule.

Ein grundoptimistisches, arbeitsfreudiges Schulleitungsteam. Neugierige, handlungsmutige Assistenzen.

Ein langfristiger Plan, eine Strategie, ein Vorhaben, das gelingt.

Ideen, die unerwartet aufblitzen. Projekte, die Kolleg/innen und Schüler/innen zum Strahlen bringen, zu entdecken und darüber zu reden.

Ein herzliches, funktionierendes Sekretariat, als Schnittstelle zu fast allem. Eine Entlastung, wenn es hier gut läuft.

Konstruktiver, mutiger Streit über schulische Entwicklung mit Schüler/innen, Lehrer/innen, Eltern, Schulleitungsmitgliedern.

Resonante Momente mit Menschen aus der Nähe der Schule, die etwas Gelungenes zurückmelden.

Öffentliche Kommunikation, die ankommt.

Sich entwickelnde Netzwerke im Schulumfeld. Förderer finden.

Erfolgreiche Personalauswahlgespräche.

Die Freiheit (und dazu das SL-Team), dass ich an einem Nachmittag ganz bewusst früher gehen kann.

Lust „auf mehr“ zu machen und auf Resonanz zu stoßen. Erfolgreich Freude an erweiterter Schulleitung wecken.

Das Kribbeln vor großen Konferenzen.

(seltene) offene Gespräche, in der die jeweiligen Rollen nicht mehr durchscheinen, sondern das Thema facettenreich im Zentrum steht.

Unerkannte Freiräume zu entdecken und einfach mal ungefragt zu nutzen.

Kein Fazit.

Vielleicht müssen wir anerkennen, dass der Schulleiterberuf mit der Lehramtsausbildung und dem Lehrerberuf einfach nicht mehr viel gemein hat. Der Satz „Als Schulleiter ist man kein Kollege im Lehrerzimmer mehr.“ stimmt auf unterschiedlichen Ebenen. Und wir dürfen nicht mit den Erwartungen, die wir an ein Berufsleben in der Schule (als Lehrer) hatten, an den Job an der formalen Spitze der Bildungseinrichtung herangehen.


Beitrag veröffentlicht

in

,

von

Schlagwörter:

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.