Im dritten Teil der Artikel-Reihe schaue ich auf Besonderheiten, wenn man als Schulleiter oder Schulleiterin die Schule wechseln möchte. Im ersten Teil habe ich auf die Motive und im zweiten Teil auf die rechtlichen Aspekte geschaut.
Leitprinzipien
- Keine Überraschungen: Relevante Menschen hören es zuerst und persönlich von mir. Gezielt kommunizieren, um Nachrichten aus der Gerüchteküche zu vermeiden.
- Reihenfolge statt Tempo: Erst Vorgesetzte und Schulträger, dann Leitungsrunde, danach Kollegium. Keine Andeutungen querbeet, nix im Hinterzimmer mit einzelnen Personen aus dieser Reihenfolge.
- Eine Botschaft, die nahezu überall gleich ist: Warum gehe ich (Hin-zu), wann passiert es, wie läuft die Übergabe. Konsistent bleiben. Unwahrheiten sind ausgeschlossen. Sollte es zu Gerüchten kommen, antworte ich mit einer immer gleichen Formulierung.
- Hin-zu statt Weg-von: Ich spreche über den nächsten Schritt und meine Lern- und Wirkziele. D.h. nicht mit Blick auf die alte Schule, nicht vergleichend.
- Vorbereiten statt Improvisieren: Bevor ich etwas Wesentliches sage, hab ich mir meine Aussage kurz notiert.
Die Phase der ersten Gedanken an einen Wechsel
In der ersten Phase halte ich den Kreis radikal klein. Ich frage mich: Wem kann ich von meinen Wechselgedanken überhaupt erzählen? Meiner Frau? Ja, unbedingt. Dann einem externen Coach oder Mentor kann ich es ebenfalls erzählen, idealerweise mit klarer Verschwiegenheit. Allen anderen nicht. Sollte es nicht klappen, kostet es viel Energie, das Label „Der Chef will ja eigentlich die Schule verlassen…“ wieder loszuwerden. Selbst mein Stellvertreter kann durch Andeutungen, Halbinformationen oder die Absicht verunsichert werden. Das alles wäre unfair und unprofessionell. Also bleibe ich bei mir: Ich sortiere meine Motive, schreibe sie auf, prüfe Timing und Energie der weiteren Kommunikation.
Ich war also bei zwei Menschen, denen ich es in dieser Phase erzählt habe.
Die aufregenden Wochen der Bewerbung und der Entscheidung
In der Bewerbungsphase halte ich nur die Schulaufsicht aktiv im Blick. Keine Dauer-Updates, sondern nur gezielte Zwischenstände. Das heißt kurze, sachliche Statusmeldungen, wenn ein Meilenstein erreicht ist: Bewerbungsunterlagen eingereicht, Einladung zum Vorstellungsgespräch, Entscheidung.
„Kurzes Update: Ich bin zum Auswahlgespräch am [Datum] eingeladen. Sollte es zu einer Entscheidung kommen, melde ich mich umgehend. Bis dahin laufen alle Aufgaben selbstverständlich regulär weiter. Bislang ist niemand in der Schulgemeinschaft informiert.“
Ich musste dann meinen Stellvertreter informieren, weil ein Terminkonflikt entstand. Ein wichtiger Schultermin kollidierte mit dem Auswahlgespräch. Erste Idee: ich schreibe ihm eine Mail „Ich bin am [Datum] terminlich gebunden. Bitte übernimm die Vertretung.“ Aber so haben wir nach knapp 9 Jahren einfach nicht miteinander gesprochen. Gerade bei diesem Termin hätte er das kaum verstanden. Also musste ich mich vertraulich offenlegen. Wir haben es gemeinsam hinbekommen, auch wenn diese weitere Kommunikationsachse gerade in der Schlussphase der Geheimhaltung ordentlich Energie kostete.
Nach der Entscheidung stellte ich auf eine kaskadenartige Kommunikation um: nacheinander, unmittelbar aufeinanderfolgend, in der „richtigen“ Reihenfolge:
Nun muss ich es ihnen sagen
Welche Reihenfolge habe ich gewählt:
1. Schulaufsicht und Schulträger: formell, telefonisch und schriftlich
2. Stellvertreter, dann Leitungsrunde: natürlich in Präsenz
(Personalrat: hab ich nicht geschafft, hätte an dieser Stelle aber gepasst)
3. Kollegium: kurze mündliche Info im Lehrerzimmer, danach noch einmal schriftlich
4. Eltern- und Schülervertretung: kurze Mail
5. Elternbrief: mit Zeitplan und allgemeinen Informationen
6. Externe Partner und Presse: sachlich, Dank für Zusammenarbeit, später dann Presse
Die Kommunikation an diesem Punkt geht von der Information, zu ersten Entscheidungen hin zum Übergeben. Gerade die ersten Tage waren sehr aufregend. Es geht darum, den jeweiligen Stand darzustellen und den Ton für den Wechsel zu setzen.
Zuerst informiere ich Schulaufsicht bzw. Schulträger telefonisch: Schule, Zeitpunkt, Botschaft, nächste Schritte. Danach folgte im Vier-Augen-Gespräch mein engster schulischer Vertrauter, der Stellvertreter und die Leitungsrunde. Hier war auch Raum für Fragen.
Dann hätte ich auch den Personalrat noch einbinden können. Ergab sich nicht, denn das Kollegium als Ganzes sollte schnell informiert werden. Ich wollte immer „vor der Welle“ sein. (Ganz sicher, dass Wahlausschuss oder Mitbewerber dicht halten, ist man halt nie.) Innerhalb von zwei Tagen hatte ich dann auch das Kollegium im Lehrerzimmer informiert. Weil nicht alle dabei sein konnten und in der Aufregung vielleicht Inhalte untergehen, schickte ich direkt danach eine Kurzzusammenfassung mit einem „so geht es jetzt weiter“. So wird nichts verdreht. ich habe kaum eine Kurzrede und Mail so lange vorbereitet.
Schüler- und Elternvertretung folgen wenige Tage später, Elternbrief an alle Eltern hatte ich dann wiederum ein wenig später gemacht. Die engsten Partner der Schule folgten als Letztes. Die Presse kam dann schon von allein auf mich zu, hätte ich aber auch anschreiben können.
Meine Kernbotschaft bleibt über alle Kanäle gleich: Ich gehe hin zu einer neuen Aufgabe, der Zeitplan steht, die Übergabe ist geregelt. Fast alles, was ich sage, gebe ich zumeist schriftlich hinterher auch als kurze Mail. So bemühe ich mich, die Schulgemeinschaft ruhig zu halten, Beziehungen zu schützen und sauber ins Übergeben zu kommen.
Letzte Wochen und Monate an der alten Schule
Bis zum letzten Tag bleibe ich verantwortlich, ohne Führungsvakuum. Gleichzeitig begrenze ich meinen Entscheidungshorizont: Entscheidungen, deren Wirkung nach meinem Wechsel eintritt, treffe ich nur abgestimmt. Ich bereite vor, empfehle, übergebe. Es ist kein sanftes Ausgleiten in den Ruhestand, sondern eine bewusste, aktive Übergabe.
Alles, was nach dem Wechsel wirksam wird, diskutiere ich mit der Leitungsrunde oder anderen Zuständigen. Praktisch heißt das: Ich bereite vor, empfehle, übergebe. Entscheidungen mit Laufzeit über den Wechsel hinaus, Personalmaßnahmen oder neue Projekte prüfe ich. Es wird weitergehen. Wer ist also (ggf auch ohne neue Schulleitung) dann zuständig? Für den Rest bleibe ich bis zuletzt handlungsfähig, auch wenn die Präsenz sich zuweilen unwirklich anfühlte. Laufende Prozesse abschließen, Übergangsrisiken reduzieren, Zuständigkeiten dokumentieren. Mir ging es darum, dass das Team danach mit klaren Vorstellungen nahtlos weitermachen kann.
Letzter Blick
Im nächsten Artikel: Was die alte Schule braucht und was man an der neuen bereits vorbereiten kann.